Akademieseminar in Bonn, Samstag, den 23. Juni 2018
In den so genannten „Alten Pflichten“ von 1723 finden sich moralische Anforderungen an die Kandidaten (nämlich „freie Männer von gutem Ruf“ zu sein) und an die Mitglieder (u.a. „anständige und kluge Menschen“ zu sein), die weitestgehend bürgerlichen Moralvorstellungen entsprechen und vor allem für ein maßvolles Leben plädieren. Sieht man von der Verpflichtung ab, für den Bruder einzutreten und ihm in Situationen der Not beizustehen (aber selbst hier gilt es, „nicht mehr zu tun, als man kann“), findet man in diesem programmatischen Text des 18. Jahrhunderts keine „hohen“ Ideale.
Dennoch gilt unbestritten, dass sich freimaurerische Ideale über die des Maßhaltens hinaus entwickelt haben, die sich teils anderen Quellen (z.B. den Ritualtexten) verdanken, teils weiterführenden Interpretationen freimaurerischer Grundbegriffe oder Symbole sind (so die Forderung, stets an seiner eigenen Entwicklung zu arbeiten) oder die schlicht im Laufe der geschichtlichen Entwicklung mit der Freimaurei verbunden wurden; die berühmtesten Ideale dürften die der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität sein.
Aber überall dort, wo es Ideale gibt, gibt es auch das Scheitern an ihnen. Konflikte zwischen den Idealen und der Realität können auf verschiedenen Ebenen angesiedelt werden.
Die geschichtlich sich entwickelnden Rituale mit ihrer ausgeprägten Hierarchie von Graden und Funktionen scheinen dem Gleichheitsideal zu widersprechen. Der Prozess der Institutionalisierung, der zu Bündnissen, aber auch zu Abspaltungen führte, brachte Regelwerke hervor, die bestimmten, wer dazu gehört und wer nicht – was insbesondere die solchermaßen Ausgegrenzten als Widerspruch gegen die Universalität der freimaurerischen Idee empfunden haben. Nicht zuletzt wurde die in den Logen praktizierte Geselligkeit einerseits als mit (der den Arbeitsethos betonenden bürgerlichen) Moral in Konflikt stehend betrachtet, andererseits auch als Aufweichung der spirituellen/esoterischen Ideale wahrgenommen. Diesen Aspekten gehen die Vorträge von Professor Dieter Binder nach, die bewusst als Kurzbeiträge gestaltet sind, um die anschließende Diskussion zu fördern.
Der abschließende Beitrag von Dieter Ney beschäftigt sich mit der Spannung, die zwischen (freimaurerischen) Idealen und alltäglicher Realität besteht. Wie kann man freimaurerisch mit dem Scheitern an Idealen umgehen, als Loge wie als freimaurerisch arbeitendes Individuum? Betont die traditionelle freimaurerische Forderung zur Selbstvervollkommnung nicht so sehr den Blick auf eine idealistische Endgestalt, dass die unvermeidliche Realität mit ihren Irrungen und Wirren des Weges verdrängt werden?
Eine ausführliche Beschreibung sowie praktische Hinweise und ein Anmeldeformular finden Sie auf dem Flyer, der hier zum Download bereitliegt. Sie können sich natürlich auch mit einer eMail für die Veranstaltung anmelden (info@akademie-forum-masonicum.de).
Vorträge mit anschließender Diskussion:
- Brüderlichkeit versus Ritual (Professor Dr. Dieter A. Binder)
- Universalität versus Regularität (Professor Dr. Dieter A. Binder)
- Moral versus Geselligkeit (Professor Dr. Dieter A. Binder)
- Die Zumutung freimaurerischen Scheiterns (Dieter Ney)