Einladung zur Jahrestagung zum Thema „Historische Realität, freimaurerische Transformation“ in Berlin und online

Tagungsprogramm:

10:00
Begrüßung

10:15
Vortrag „Der historische salomonische Tempel“
von Professor Dr. Wolfgang Zwickel (Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz),
anschließend Diskussion

11:15
Vortrag „Das Symbol des salomonischen Tempels in der Freimaurerei“
von Dieter Ney (Akademie forum masonicum),
anschließend Diskussion

12:00
Mittagspause

13:30
Vortrag „Der historische Templerorden und seine Nachgeschichte“
von Dr. Joachim Rother (Historiker, Projektmanager in der Bertelsmann-Stiftung),
anschließend Diskussion

Informationen für Teilnehmende

Wir bitten um Anmeldung per Email an sekretaer@akademie-forum-masonicum.de bis zum 20. November 2024. Teilen Sie uns bitte mit, ob sie vor Ort sein werden oder per Videokonferenz teilnehmen wollen. Im letzteren Fall erhalten Sie von uns per Email im Vorfeld der Veranstaltung die Einwahldaten für die Videokonferenz.

Die Gebühr für die Teilnahme an der Tagung beträgt für Nicht-Mitglieder Akademie forum masonicum 15 EUR, alle Mitglieder erhalten kostenlos Zugang.

Wir bitten Sie, den Teilnahmebeitrag auf das Vereinskonto zu überweisen.
Akademie forum masonicum e.V.
IBAN: DE51 3804 0007 0233 9000 00
BIC: COBADEFFXXX

Veranstaltungsankündigung: Akademie-Tagung zum Thema „Identität“ in Berlin

Am 10. November 2018 wird die Akademie forum masonicum e.V. ihre diesjährige Tagung zum Thema „Identität – eine Frage, ein Versprechen der Sicherheit, eine Verheißung?“ in Berlin durchführen.

Identität – das, was in der Logik geradezu als die schlichteste Bestimmung gilt, nämlich die Übereinstimmung, das erweist sich in menschlichen Angelegenheiten als alles andere als einfach.

Geht es in der Frage nach der Identität um das Individuum, das sich bei seiner Bestimmung der „ureigenen“ Identität über die Abgrenzung von anderen und unter Verwendung allgemeiner Begriffe verstehen kann? Oder ist unsere Identität bestimmt gerade durch das von uns Ungewählte, das uns Vorangehende einer Kultur, einer Tradition, einer Nation? Ist gar unsere Identität ein Zukunftsprojekt, eine Art potenziell unendlicher Selbstfindungprozess, dessen Resultat wir noch gar nicht absehen können?

Und jenseits dieser Fragen hat der Begriff der Identität im politischen Diskurs eine besondere Aktualität bekommen. Im Kontext von political correctness fordern unterschiedliche Gruppen unter Berufung auf ihre besondere Identität eine sprachliche Sichtbarkeit, die ihr nach eigener Auffassung und mit sozial diskriminierenden Konsequenzen bisher verweigert wurde. Andere politische Gruppen fordern die Verteidigung und gar Bevorzugung der heimischen kulturellen, nationalen und ethnischen Identität, deren Erhalt sie durch Einwanderung gefährdet sehen.

Die Akademie forum masonicum möchte sich auf ihrer diesjährigen Tagung diesen Fragen stellen und hat dazu mit Stefan Weidner, Professor Dr. Wolfgang Welsch und Professor Dr. Jörg Zirfas namhafte Experten aus den Bereichen Kulturwissenschaften, Philosophie und Kulturanthropologie eingeladen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Tagungsseite hier und im Flyer zur Veranstaltung mit Anmeldeforumlar.

Identität – eine Frage, ein Versprechen der Sicherheit, eine Verheißung?

Akademietagung in Berlin, Samstag, den 10. November 2018

Flyer zur Veranstaltung mit Anmeldeformular

Zum Thema

Identität – das, was in der Logik geradezu als die schlichteste Bestimmung gilt, nämlich die Übereinstimmung, das erweist sich in menschlichen Angelegenheiten als alles andere als einfach.

Geht es in der Frage nach der Identität um das Individuum, das sich bei seiner Bestimmung der „ureigenen“ Identität über die Abgrenzung von anderen und unter Verwendung allgemeiner Begriffe verstehen kann? Oder ist unsere Identität bestimmt gerade durch das von uns Ungewählte, das uns Vorangehende einer Kultur, einer Tradition, einer Nation? Ist gar unsere Identität ein Zukunftsprojekt, eine Art potenziell unendlicher Selbstfindungprozess, dessen Resultat wir noch gar nicht absehen können?

Und jenseits dieser Fragen hat der Begriff der Identität im politischen Diskurs eine besondere Aktualität bekommen. Im Kontext von political correctness fordern unterschiedliche Gruppen unter Berufung auf ihre besondere Identität eine sprachliche Sichtbarkeit, die ihr nach eigener Auffassung und mit sozial diskriminierenden Konsequenzen bisher verweigert wurde. Andere politische Gruppen fordern die Verteidigung und gar Bevorzugung der heimischen kulturellen, nationalen und ethnischen Identität, deren Erhalt sie durch Einwanderung gefährdet sehen.
Die Akademie forum masonicum möchte sich auf ihrer diesjährigen Tagung diesen Fragen stellen und hat dazu namhafte Experten aus den Bereichen Kulturwissenschaften, Philosophie und Kulturanthropologie eingeladen.

Programm

10:00
Begrüßung durch Dieter Ney, Vorstandsvorsitzender der Akademie forum masonicum e.V.

10:30
Vortrag von Professor Dr. Jörg Zirfas (Köln)
„Zur Historischen Anthropologie der Identität“

13:30
Vortrag von Stefan Weidner (Köln)
„Jenseits des Westens. Für ein neues kosmopolitisches Denken“

15:00
Vortrag von Professor Dr. Wolfgang Welsch (Berlin)
„Transkulturelle Identitäten“

Die Referenten

Stefan Weidner
studierte Islamwissenschaften, Germanistik und Philosophie und lebt heute als Autor, Literaturkritiker und Übersetzer in Köln. Von 2001–2016 war er Chefredakteur der vom Goethe-Institut herausgegebenen Kulturzeitschrift Fikrun wa Fann/Art&Thought. Er wurde 2006 mit dem Clemens-Brentano Preis (Stadt Heidelberg), 2007 mit dem Johann-Heinrich-Voß Preis (Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung) und 2014 mit dem Paul-Scheerbart Preis (Ledig-Rowohlt Stiftung) ausgezeichnet. 2009/2010 war er August-Wilhelm-Schlegel Gastprofessor für Poetik der Übersetzung an der FU Berlin. 2011/2012 bekleidete er an der Universität Bonn die Thomas-Kling Poetikdozentur. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der deutschen Sektion des Pen-Clubs, außerdem Gründungsmitglied der Akademie der Künste der Welt zu Köln.

Professor Dr. Wolfgang Welsch
ist emeritierter Professor der Philosophie und lebt in Berlin. Er lehrte in Bamberg (1988–1993), Magdeburg (1993–98) und Jena (1998–2012). Gastprofessuren hatte er inne an der Freien Universität Berlin (1987–88), der Humboldt-Universität zu Berlin (1992–93), der Stanford University (1994–95) und der Emory University (1998). 1992 erhielt er den Max-Planck-Forschungspreis und 2016 den Premio Internazionale d’Estetica. Forschungsschwerpunkte: Anthropologie, Epistemologie und Ontologie, Theorie der Evolution, Philosophische Ästhetik und Kunsttheorie, Kulturphilosophie.

Professor Dr. Jörg Zirfas
ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Pädagogische Anthropologie an der Universität zu Köln. Vorsitzender der Sektion Allgemeine Erziehungswissenschaft (DGfE), der Kommission Pädagogische Anthropologie (DGfE) und der Gesellschaft für Historische Anthropologie (FU Berlin); Mitglied des Interdisziplinären Zentrums Ästhetische Bildung (FAU Erlangen-Nürnberg) und des Arbeitskreises Psychoanalyse und Lebenskunst (Berlin). Arbeitsschwerpunkte: Pädagogische und Historische Anthropologie, Bildungsphilosophie und Psychoanalyse, Pädagogische Ethnographie und Kulturpädagogik.

Praktische Informationen
Veranstaltungsort: Logenhaus der Großen National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“, Heerstr. 28, Berlin-Charlottenburg

Rolf Keil: „Wir haben Ehrfurcht vor den alten Ritualen“

Beitrag zu:
Stile des Freimaurerischen – Vielfalt und Einheit der Freimaurerei (2017). Jahrestagung der Akademie forum masonicum e.V. in Berlin, Samstag, den 11. November 2017

„Wir haben Ehrfurcht vor den alten Ritualen“ … Der Umgang mit dem Erbe der Reformloge 

 

Und so erklären wir vor Gott und den Menschen, dass es der einzige Zweck unseres
Bundes sei, ein jedes seiner Glieder besser und der menschlichen Gesellschaft
dienlicher zu machen,und zwar durch Liebe und die Erforschung der Wahrheit.
(Generalabschied des Wilhelmsbader Convents 1782)

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Gäste der Akademie.

Br. Dieter Ney bat mich, zur Reformmaurerei in Deutschland zu euch zu sprechen. Das Thema verdiente eine eigene Veranstaltungsreihe. Auch die Frage des Verhältnisses zu den Frauen, die, wie wir auch, am rauen Stein arbeiten, lasse ich unberührt, möchte aber anmerken, dass auch hier aus meiner Sicht ein wachsender Handlungsbedarf besteht.

Zunächst scheint es mir allerdings notwendig zu sein, einen Blick zurück zu werfen. Dann will ich auf die Situation der sich humanitär nennenden Freimaurerei nach 1945 eingehen und die Rolle, die die Loge Lessing im Einigungsprozess der Humanitären Freimaurerei einnahm. Schließlich möchte ich den Bogen zum hier und jetzt schlagen und mich der Frage widmen ob und wie sich die Reformtradition auf das Logenleben auswirkt. Schließlich gehe ich auf die Frage ein, wie sich die Logen aufstellen müssen um auch in Zukunft anschlussfähig zu sein.

„Freimaurerei war immer“ sagt Lessing in seinen Freimaurergesprächen. Auf diese These komme ich später zurück.

In Deutschland gibt es die Freimaurerei seit 1737, denn in diesem Jahr wurde in Hamburg, die „Loge d’Hambourg“ mit der Matrikelnummer 1 gegründet, die trotz ihres französischen Namens ihre Vorbilder in London hat. Heute heißt sie „Absalom zu den drei Nesseln“.  Schnell fast die Freimaurerei in Deutschland Fuß, schnell allerdings verändert sie sich auch. Das klare englische System der drei Grade wird durch die Einführung diverser Hochgrade drastisch verändert. Das Schwedische System des Freimaurerordens und die Strikte Observanz beherrschen die Szene. Es brauchte im Jahr 1782 den freimaurerischen Convent in Wilhelmsbad, um eine Gegenkraft zu etablieren. Nach dem Convent etabliert sich in Deutschland sozusagen ein duales freimaurerisches System: Die wesentlichen Bruchlinien verlaufen entlang der Frage, ob sich das Lehrgebäude der Freimaurerei in den drei Graden „Lehrling – Geselle – Meister“ vollständig mitteilt, wie Br. F. L. Schroeder glaubt oder  ob die drei Grade nur die ersten Stufen eines komplexeren Lehrgebäudes sind, wie es z.B. die „Große Landesloge“ vermittelt. Die zweite große Linie trennt die Deutsche Maurerei in eine strikt christliche Freimaurerei, währenddessen die sich entwickelnde „humanitäre“ Freimaurerei den Zirkel weiter schlägt und prinzipiell auch Juden aufnimmt. Freilich, die Grenzen sind fließend und verändern sich immer wieder einmal.

Hier, in der Aufarbeitung des Wilhelmsbader Convents liegt aus meiner Sicht einer der Anfänge der Reformmaurerei. Gleichzeitig wurde der Kern für den Dauerkonflikt zwischen „Christlicher“ und „Humanitärer“ Maurerei gelegt. Unnötigerweise, wie ich finde. „Meines Erachtens verhalten sich humanitäres und christliches Prinzip in der Freimaurerei wie konzentrische Kreise, von denen der humanitäre den größeren Durchmesser hat. Humanitäre Freimaurerei schließt alle Menschen und nicht zuletzt die Christen ein, christliche Freimaurerei schließt alle Nichtchristen aus.“[1], so Bruder Selter treffend. Leider gab es auf beiden Seiten wenige dauerhaft erfolgreiche Bestrebungen zum toleranten Umgang mit der jeweils anderen Auffassung von Freimaurerei. Stattdessen öffnete sich die Schere in der Bruderschaft weiter. Ficke, Settegast, Blunschli, Selter und viele mehr stehen für den Versuch, die Freimaurerei von ihrer Bindung an religiöse Vorgaben zu befreien, auf der anderen Seite nimmt der Dogmatismus beständig zu.

Die vorgegebene Zeit zwingt uns, einen Sprung ins 20. Jahrhundert zu machen. Die in Wilhelmsbad angelegte Trennung der Systeme hatte sich drastisch verschärft. Mit dem „Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne“ war 1907 eine Großloge geboren worden, die sich sogar in scharfer Abgrenzung zu allen anderen Obödienzen verstand. Der „Freimaurerbund zur Aufgehenden Sonne“ wandte sich gegen überkommene Formen. Radikal wurden Bibel und das Bekenntnis zum Allmächtigen Baumeister aller Welten gestrichen, auf Schurz und Handschuh wurde verzichtet. Selbstverständnis war es eine „Stätte für freie Männer zu sein, die die alten Freimaurerideale hochhalten, den alten Logen wegen ihrer Weltanschauung nicht beitreten können oder wollen“ [2]. Die Ideale des „Freimaurerbundes zur Aufgehenden Sonne“ wurden später von der „Symbolischen Großloge“ aufgenommen, die aber wieder zurück zu den traditionellen Ausdrucksformen zurückkehrte, um Anerkennungsfähig bei Logen im Ausland zu sein.

Die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erleben in Deutschland das komplette Versagen der freimaurerischen Idee vor der Realität des aufziehenden Nationalsozialismus. Die Humanitäre Freimaurerei schloss ihre Tempel mit der Machtergreifung 1933. Auch die Altpreußischen Großlogen, die nicht mehr als Freimaurer gelten wollten, waren seit dem Juli 1935 verboten und aufgelöst, die Logenhäuser enteignet, zweckentfremdet oder zerstört. Freimaurerei hatte einen schlechten Ruf, die Hetze von Ludendorff und den Nazis blieb nicht ohne Echo in den Köpfen der Menschen. Einige Großlogen hatten aktiv an diesem Ruf mitgewirkt, hatten sie doch bereits in den 20er Jahren unter ziemlich großzügiger Auslegung des zweiten Hauptstücks der „Alten Pflichten“ versucht, die Freimaurerei völkisch zu definieren und sich dann mit den neuen Machthabern nach 1933 zu arrangieren, zum Glück ohne Erfolg, jedoch mit großem Verlust für die Glaubwürdigkeit unseres Bundes hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der von ihm propagierten Werte.

Diejenigen Logensysteme, die sich 1933 selbst auflösen, bleiben den humanitären Prinzipien treu und ihre aus damaliger Sicht „irregulären“ Brüder der „Symbolischen Großloge“ bringen das symbolische „freimaurerische Licht“, wie wir das nennen, nach Israel und Chile und hoffen, damit schon das Fundament für einen weitestgehend unbelasteten Neubeginn nach dem politischen Zusammenbruch von 1945 legen zu können. Die dunkle Zeit legte dann den Mantel des Schweigens über die Reste der deutschen Freimaurerei.

Sommer 1945. Deutschland lag in Trümmern. Die öffentliche Ordnung wurde von den Militärbehörden der Besatzungsmächte durchgesetzt. Vielerorts war die Infrastruktur völlig zerstört, Millionen Menschen irrten durch Europa, waren entwurzelt, vertrieben, verschollen oder getötet. Der Aufbau und die Struktur des „neuen“ Deutschland waren noch im Nebel. Die Freimaurerei in Deutschland war nicht mehr existent. In dieser schwierigen Zeit, in der das nackte Überleben die Notwendigkeiten diktierte, in dieser Zeit gab es glücklicherweise Männer, in denen das maurerische Licht die Dunkelheit überdauert hatte.

Meine Frankfurter Mutterloge „Lessing“ ist aus den beiden Logen „Goethe“ und „Spinoza“ in Frankfurt und Offenbach hervorgegangen. Die Wurzeln liegen im „Freimaurerbund zur Aufgehenden Sonne“. 1907 wurde in Offenbach die Loge „Sokrates“ des „Freimaurerbund zur Aufgehenden Sonne“ gegründet, später im Oktober 1930, erfolgte der Übertritt zur „Symbolischen Großloge“. Im Sommer 1945 fand sich ein kleiner Bruderkreis dieser beiden Logen zusammen, um zunächst einmal festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Fortsetzung oder Gründung einer Loge gegeben seien. Rasch war klar, dass die beiden Logen „Spinoza“ und „Goethe zu den drei Säulen“ durch den Krieg zu ausgezehrt waren, um Sie wieder zu beleben.

Br. Emil Selter, der Gründer der Loge „Lessing“ und deren beherrschende Figur, beschreibt diese historisch zu nennende Zusammenkunft in den Trümmern Frankfurts in seiner Festrede anlässlich des fünfundzwanzigsten Jahrestages der Logengründung:

 „26. September 1945, ich sehe eine beengte Wohnung am Kaiserplatz in Frankfurt, Bruder Geier hat elf Männer zu sich eingeladen, Freimaurer, der Verfolgung des Naziregimes entgangen, den Schrecken des Krieges entronnen, entschlossen einen neuen Anfang zu machen, eingedenk aller Lehren der Vergangenheit. Die Logennamen „Spinoza“ und „ Goethe zu den drei Säulen “ können wieder ausgesprochen werden, ohne die Hand vor den Mund zu halten. Andere Logennamen tauchen auf, erwecken schmerzliche, erhebende oder mitleidige Erinnerungen, Systeme werden geprüft, Orientierungshilfen aus dem Gedächtnis hervorgeholt, alles vermengt mit den Fragen, wo ist der, wo ist jener, unterbrochen mit Nachrichten aus der Gefangenschaft, aus Konzentrationslagern und fernen Ländern der Emigration. Deprimierendes wird zur Herausforderung, bittere Erfahrung zur Quelle bedeutender Energien.

Der Name Lessing fällt, Inbegriff der Fröhlichkeit und Skepsis, geistreicher Aperqus und scharfem Blick für die menschlichen Schwächen, ein würdiger Name für eine Loge, sprudeln der Quell von Ideen und Eigenständigkeit.

Der Anfang war gemacht, der Kampf mit der Bürokratie, mit den Besatzungsmächten konnte beginnen. „ The big brother is watching You.“[3]

Die neue Loge gab sich ein Hausgesetz, indem auch Stellung zur Neuordnung der Freimaurerei in Deutschland genommen wird:

„Beseelt von dem Wunsch, die im Jahr 1933 unterbrochene freimaurerische Arbeit wieder aufzunehmen, erfüllt von dem Verlangen, die Arbeit unbekümmert um politische Streitigkeiten und fern vom Lärm der Straße fortzuführen

  • in Ehrfurcht vor dem A.B.a.W
  • zum Besten des Deutschen Volkes
  • zum Wohle der ganzen Menschheit

haben sich die Unterzeichnenden Brüder Freimaurer zu einer Loge zusammengeschlossen und ihr den LESSING gegeben, um einen großen Freimaurer zu ehren. Sein geistiges Vermächtnis soll ihnen Ansporn und Verpflichtung sein.
In Anbetracht der völlig unübersichtlichen Verhältnisse und in der Absicht mit allen Kräften am Aufbau EINER großem Deutschen Bruderkette mitzuwirken, haben die gründenden Brüder beschlossen, dass die Loge bis zur Errichtung einer einheitlichen deutschen Großloge eine UNABHÄNGIGE LOGE sein und bleiben soll.“
[4]

Diese Unabhängigkeit sollte sich auch im Ritual niederschlagen. Anstelle der früher verwendeten Rituale sollte eines treten, dass die unterschiedlichen Traditionen aufgreifen und allen Lehrarten gerecht werden sollte. Das Ritual der „Lessing“, dass heute zu den Traditionsritualen innerhalb der „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland“ zählt und das als eines von nur drei zugelassenen Ritualen neben der Bibel auch das weiße Buch auflegt, wurde von Emil Selter zunächst in den Jahren 1945/1946 aus dem Gedächtnis niedergeschrieben.

Im Lauf des Jahres 1946 erhält die Aufnahmehandlung ihre heutige Ausprägung. Im Grundgerüst lässt sich Selter vom Ritual der „Großloge zur Sonne“ in der Fassung von 1873 leiten, die nachfolgend gelegentlich als Bluntschli Ritual oder Sonnenritual bezeichnet wird. Gleichzeitig reichert er das Ritual um Bestandteile aus anderen Lehrarten an, um dem selbst gestellten Anspruch der Loge „Lessing“ – eine Einigungsloge sein zu wollen – gerecht zu werden. So finden sich Elemente aus der „Symbolischen Großloge“, aus dem „Freimaurerbund zur Aufgehenden Sonne“ (aus dem die Vorgängerlogen der „Lessing“ hervorgegangen sind, bevor sie in die „Symbolische Großloge“ wechselten), aus der schottischen Maurerei und aus der Prager Großloge „Lessing zu den 3 Ringen“ und aus dem Ritual der „Großen Landesloge“. Innerhalb der Rituale der Großloge zur Sonne finden wir Anleihen an das Freiburger Ritual von Ficke aus dem Jahr 1865, aus dem Ritual der Loge „Zur Bergischen Freiheit“ und von der Loge „Allvater zum freien Gedanken“ aus Lahr, die beide von Paul Selter geschrieben wurden, sowie von der Loge “Theodor zum bergischen Löwen“ in Düsseldorf.

An dieser Stelle vielleicht kurz zur Frage, wieso überhaupt ein neues Ritual? Die Logen „Spinoza“ und „Goethe“ hatten ja zur „Symbolischen Großloge von Deutschland“ gehört und deren Ritual bearbeitet, somit wäre es möglich gewesen, weiter nach diesem Ritual zu arbeiten. Für die Brüder der „Lessing“ war allerdings sehr früh klar, dass die neue Loge nicht die (Wieder-)Aufnahme in die „Symbolische Großloge“ anstreben sollte. Zu präsent war die die Zersplitterung der deutschen Freimaurerei vor der dunkeln Zeit. In einem Entwurf für ein Hausgesetz aus dem Jahr 1946 heißt es: „Die Loge „Lessing“ bearbeitet ein eklektisches Ritual.“ Die Loge Lessing erklärte sich also für unabhängig von bestehenden Obödienzen, bis zur Einigung der deutschen Freimaurerei. „Nach dem fürchterlichen Zusammenbruch, ist kein Platz mehr nach Machtverlangen, Geltungssucht, Vorteilsstreben, Ichsucht von einzelnen Logen oder Großlogen. Entscheidend ist die freimaurerische Haltung … Die Aufgabe lautet: Sollen wir, obwohl wir alle Freimaurer sind, uns weiter fremd gegenüberstehen, oder sollen wir eine Form finden, in der die Freimaurerei sich einigt“[5], schreibt Br. Selter an anderer Stelle.

Von den altpreußischen Großlogen ging der Vorschlag aus, dass alle deutschen Logen einen gemeinsamen Antrag stellen sollten, den Status vor 1933 wiederherzustellen. Dieser Antrag entsprach nicht den Vorstellungen der humanitären Logen.

Am 14. und 15. Juni trafen sich unter Vorsitz von Br. Pauls in Frankfurt am Main 23 Mitglieder früherer Großlogen aller Lehrarten, mit Ausnahme der „Großen Landesloge“. Die „Symbolische Großloge“ wurde bei der Tagung, die als Frankfurter Konvent in die Annalen der deutschen Freimaurerei einging, von Br. Emil Selter vertreten. Die Loge „Lessing“ organisierte die Tagung und Br. Georg Geier stellte seine Geschäftsräume für die Beratungen zur Verfügung. Als Ergebnis dieser Zusammenkunft wurde die „Frankfurter Arbeitsgemeinschaft von Freimaurerlogen“ gegründet, die „Brücke und Übergang zur einzigen Großloge“ sein müsse. Die Loge „Lessing“ trat noch am selben Tage offiziell als erstes Mitglied bei. In einer Resolution wurde beschlossen, dass es „fortan nur eine Johannisfreimaurerei in Deutschland geben solle, für die christlich und humanitär nichts Trennendes sei“.[6] Weitere Kernforderungen waren: Demokratie nach innen, Ritualfreiheit für die Logen, Toleranz und die Achtung vor der individuellen Freiheit. Br. Emil Selter wurde zum stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft gewählt und Br. Geier, ebenfalls Mitglied der Loge „Lessing“, wurde Geschäftsführer. Den Vorsitz führte Dr. Dr. Pauls, ein Ehrenmitglied der „Lessing“. Auch der spätere Großmeister der „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer“, Br. Theodor Vogel, der den Konvent mit angeschoben hatte, nahm aktiv an den Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft teil.

Als Folge der Lockerung der Bestimmungen der Militärregierungen wurden im Laufe des ersten Halbjahres 1948 Landeslogen in den verschiedenen Ländern gebildet. Am 18. Juni 1948 sollte in der Paulskirche in Frankfurt am Main der ersten deutschen Nationalversammlung gedacht werden. Hierzu wurde auf Beschluss der Frankfurter Arbeitsgemeinschaft, die mittlerweile 125 Logen umfasste, am Vortage zu einer feierlichen Tempelarbeit eingeladen. Vorbereitung, Einrichtung des Tempels und das Ritual lagen weitestgehend in der Verantwortung der Loge „Lessing“. Das verwendete Ritual basierte im Wesentlichen auf dem Ritual des Lehrlingsgrades der Loge „Lessing“ und ist im Original erhalten. Die Arbeit wurde von Emil Selter geleitet. Selter und andere hofften den Schwung der Versammlung zur Ausrufung einer Einheitsgroßloge zu nutzen. Dazu sollte es nicht kommen, denn Br. Theodor Vogel kündigte an, dass sich die von ihm vertretenen 31 bayrischen Logen widersetzen würden. Damit hatte Br. Vogel seinen Führungsanspruch deutlich gemacht. Am nächsten Tage wurde in Frankfurt der „Deutsche Großmeisterverein“ unter seiner Führung ins Leben gerufen. Vier Monate später wurde von dem Großmeisterverein in Kissingen die „Vereinigte Großloge der Freimaurer von Deutschland“ gegründet. Die Frankfurter Arbeitsgemeinschaft, deren Ziele weitgehend erreicht waren und die dieser Gründung maßgeblich den Weg gebahnt hatte, löste sich auf. Der Versuch des Reformlagers zu einer Großlogengründung von „Unten“ war gescheitert.

In der Rückschau muss man konstatieren, dass Br. Theodor einen weiteren Blick auf die gesamte Freimaurerei hatte. Die Frankfurter Arbeitsgemeinschaft hatte von Anfang an verlangt, dass sich in dieser Arbeitsgemeinschaft nur Logen sammeln sollen, die sich frei entscheiden können, also nicht abhängig sind von den Weisungen ihrer ehemaligen Großlogen. Damit waren die Logen der „Großen Landesloge“ außen vor und sie wurden auch nie zu den Verhandlungen hinzugezogen. Im Gegensatz dazu hat Br. Vogel immer auch mit den Vertretern der „Großen Landesloge von Deutschland“ Kontakt gehalten und versucht, sie in die Einigung einzubeziehen.

Die „Große Landesloge von Deutschland“ trat der gegründeten „Vereinigten Großloge der Freimaurer von Deutschland“ trotz aller Bemühungen von Br. Vogel nicht bei. Zu unüberwindbar waren die Gegensätze, vor allem in der Frage des von der „Großen Landesloge“ verlangten christlichen Bekenntnisses und der Hochgrade. Dennoch war die Gründung der „Vereinigten Großloge von Deutschland“, die später die „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer“ wurde,  ein wichtiger Teilerfolg auf dem Weg zur Einheit.

Im Wesentlichen sind die Forderungen der Reformer in der Verfassung der „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer“ erfüllt. Die Logen haben eine große Freiheit in ihren inneren Angelegenheiten, Distriktmeister sind keine Provinzfürsten, sondern Verwaltungsposten im Auftrag auch der Stuhlmeister, es herrscht Ritualvielfalt. Posthum wurde selbst dem früher verfemten „Freimaurerbund zur Aufgehenden Sonne“ Gerechtigkeit zuteil. „Der Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne (F:Z.A.S.) hat sich 1907 mit universeller und liberaler Deutlichkeit erklärtermaßen gegen solch konservative Hintergründe konstituiert, um ‘die Menschheit aus den engen Fesseln der Konfessionen und der dogmatischen Weltanschauungen herauszuheben und sie auf den Boden des reinen Menschtums zu stellen’ (Großmeister Dr. Curt Rothe).[7] Heute sehen wir in dieser Grundhaltung Wurzeln unserer liberalen Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, die erst 1949 aus den jahrhundertealten Traditionen freien Denkens gegründet wurde.“ Auf dieser programmatischen Grundlage hat die Loge Lessing seit ihrer Gründung gearbeitet und tut es noch.

Die Loge war auch immer aufs engste mit dem Wiedererstehen des „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus“ in Deutschland verbunden. Selter war im ersten Obersten Rat, die Souveränen Großkommandeure Pauls, Geier, Hendrickson und Lott gehörten der „Lessing“ an, ebenso wie zahlreiche Träger des 33. und letzten Grades des „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus“.

Die junge Loge profitierte lange Zeit von diesem aufklärerischen und kämpferischen Geist und umfasste Anfang der 60er Jahre 120 Brüder! Das Durchschnittsalter lag bei 51 Jahren, deutschlandweit war sie berüchtigt. Ich habe in den 90er Jahren einmal eine Loge in Hamburg besucht, und als man mein Bijou entziffert hatte, hauchte der Bruder „Die Lessing! Du Armer! Bei euch geht es ja hoch her!“

Dann setzte der Sinkflug ein, der bis 2008 anhielt und die Loge auf ca. 40 Brüder schrumpfen ließ, von denen aber höchstens 15 aktiv waren. Wie ist es dazu gekommen? Die Rückschau zeigt verschiedene Gründe. Zum einen war das geistige Niveau der Loge zweifellos sehr hoch, entsprechend waren auch die ausgeprägten Diskussionen der Klubabende. Sie waren aber zu einem Ritual verkommen, bei dem sich die Brüder selbst genug waren. Gäste wurden abgeschreckt, eine ganze Generation wurde nicht erreicht oder verließ die Loge frustriert. Wenn man sich durch die alten Akten wühlt, erhält man den Eindruck, dass menschliche Wärme fast gänzlich gefehlt hat bzw. nicht für wichtig erachtet wurde. Es zeigen sich Ego-getriebene Auseinandersetzungen, Verletzungen und Enttäuschungen. Es gab Fraktionierungen, auch kleinere, abgeschottete Kreise. Insgesamt herrschte also ein Klima, dass alles andere als einladend war. Ein zweiter Grund für den Rückgang der Attraktivität ist darin begründet, dass das Wissen um die Gründungszeit und die sich aus ihr ergebenden Strukturen und Besonderheiten der Loge weitgehend vergessen wurde. Wer seine Traditionen aber nicht begründen kann, der kann sie auch nicht glaubwürdig leben. Der dritte Grund lag in der mangelnden Pflege des rituellen Aspekts begründet. Das Lessing Ritual unterscheidet sich in vielen Details vom Ritual der „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer“, es hat aber an einigen Stellen Einfluss auf die Entstehung dieses Rituals genommen.

All das zusammen hat dazu geführt, dass wir uns 2008 der Frage ausgesetzt sahen, ob die Loge sich einer anderen bestehenden Loge in Frankfurt anschließt. Zum Glück ist es anders gekommen.

Was war dazu nötig? Eine entschlossene Mannschaft von jungen Brüdern, die den Wert der Loge erkannten und erhalten wollten. Wir arbeiteten unsere Geschichte auf, achteten auf Ritualtreue und wollten auch verstehen, warum das Lessing Ritual anders ist. Im Ritual zeigt sich das Reformerbe am Augenfälligsten, ich gehe gerne in der Diskussion näher darauf ein. Unseren Ruf als Diskussionsloge wollten wir verteidigen, allerdings legten wir viel Wert auf einen herzlichen Umgang miteinander. In aller Regel folgt an Clubabenden auf einen Input, eine Diskussion, die selten weniger als 90 Minuten dauert. Hier wird auch hart argumentiert, aber es wird streng darauf geachtet, dass niemand als Verlierer vom Platz geht. Wenn sich das Erbe der Reform bemerkbar macht, dann an dieser Stelle. Die Diskussionskultur wird von vielen Brüdern, die uns besuchen, als ziemlich einzigartig beschrieben. Wir haben Gästeabende strukturiert und uns um Nachwuchs gekümmert. Die Loge umfasst heute 57 Brüder, das Durchschnittsalter liegt bei 52 Jahren. Bleibt die Frage, ob das Erbe der Reformloge noch einen Wert besitzt, der in die Zukunft trägt. Da bin ich skeptisch.

Mit der Gründung der „Vereinigten Großlogen von Deutschland“ wurde eine Organisationsform gefunden, die größtmögliche Freiheit der Logen und Großlogen garantiert und es ist gelungen, die Zeichen auf Zukunft und Wachstum zu stellen. Die Brüder nehmen diesen Zustand als selbstverständlich hin. Unterschiedliche Rituale werden eher als folkloristische Besonderheiten, denn als inhaltlich begründete erlebt. Auch in meiner Mutterloge wäre es so, wenn sich nicht jemand findet, der sich als Hüter der Flamme versteht und jungen Brüdern zu vermitteln versucht, was die Besonderheit der Loge „Lessing“ und ihrer Tradition ausmacht.

Viele Inhalte der Reformmaurerei haben sich in Deutschland durchgesetzt. Die „Großloge der Alten Freien und Angenommen Maurer“ sieht in der Reformmaurerei einen sie stark prägenden Einfluss, der sich in der liberalen Denkart und auch in der Ritualvielfalt der Großloge zeigt. Die Reform ist also Mainstream geworden, könnte man meinen. Während ich davon überzeugt bin, dass die Reformmaurerei als Label sich überlebt hat, gilt das nicht für die Inhalte: Hier glaube ich, dass sich die Logen in Deutschland weiter an die Denkschulen der Reformbewegung anpassen müssen, wenn sie anschlussfähig bleiben wollen.

Was heißt das konkret?

  1. Die Freimaurerei ist zunächst und vor allen Dingen eine persönliche Lebensreise. Allerdings enthält die Freimaurerei in ihren Ritualen einen klaren Handlungsauftrag: „Geht nun zurück in die Welt, meine Brüder, und bewährt euch als Freimaurer. Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt, kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken, seid wachsam auf euch selbst.“ Es reicht also nach meiner Auffassung nicht, dass sich unsere Logen in falsch angewandter Exklusivität darauf zu beschränken ein jedes ihrer Mitglieder besser zu machen. Oder um in der Sprache unserer Symbolik zu sprechen, den Bruchstein zum Baustein zu glätten und darüber den Schlussstein, der erst den Bau vollendet, zu vergessen. Denn die Aufgabe der Freimaurerei, die bereits 1782 in Wilhelmsbad formuliert wurde, nämlich „ein jedes ihrer Glieder der menschlichen Gesellschaft nützlicher zu machen“, bleibt bestehen. Der Blick nach innen greift zu kurz! Der Maurer soll in die Gesellschaft hinein wirken. Die Freimaurerische Ethik ist eine Handlungs- und Einübungsethik. Um in der Welt zu wirken, müssen wir die Welt bis zu einem bestimmten Grad bei uns einlassen und wir müssen uns auf die Welt einlassen.
  2. Die Freimaurerei darf sich nicht als eine Organisation zur Pflege gehobener Geselligkeit umrahmt von ehrwürdigen Gebräuchen begreifen. Das kann jeder Lions Club besser. Freimaurerei ist Arbeit! Arbeit an uns selbst, Arbeit am Tempel der Humanität, dessen Baugrund, Baustein und Baumeister der Freimaurer sein will.
  3. Die Freimaurerei darf nicht der Versuchung erliegen, aus dem Bedürfnis nach Frieden und Ruhe heraus, alles aus den Leben der Logen fernzuhalten, was auch nur im Geringsten geeignet erscheint, gegensätzliche Auffassungen in Erscheinung treten zu lassen und so die Gemüter in Wallung kommen zu lassen.

Ich bin davon überzeugt, dass die Freimaurerei auch in den nächsten 300 Jahren noch eine Notwendigkeit sein wird, in welcher Form sie sich dann auch immer präsentiert. Denn wie Lessing zu Recht bemerkt, ist sie der bürgerlichen Gesellschaft immanent. Ob sie in der heutigen Form eine Zukunft haben wird, hängt davon ab wie wir, die Maurer von heute mit ihr umgehen. Die Chancen sind gut, denn die Logen haben ein Alleinstellungsmerkmal: Ganz gleich ob Wirtschaftsklub, Gewerkschaft, politische Partei oder Religionsgemeinschaften, alle machen sich der gleichen Sünde schuldig: der des Selbstgesprächs oder des Schwimmens in der Filterblase. Sozialdemokraten gehen in sozialdemokratische Versammlungen, CDUler zur CDU, Gewerkschaftler besuchen ihre Zusammenkünfte und Geschäftsleute die ihren. Was dort in aller Regel stattfindet, ist eine Selbstbestätigung. Man hört Menschen zu, deren Ansichten sie man ohnehin teilt, die Redner freuen sich, den rechten Ton getroffen zu haben. Aber ein Austausch findet nicht statt, Glaubenssätze werden nicht hinterfragt. Hier liegt eine große Aufgabe und Chance der Freimaurerei! Wir müssen weiterhin versuchen, die Angehörigen aller gesellschaftlichen Gruppen zusammenzuführen. In großer Weisheit hat Anderson es schon in den Alten Pflichten aufgezeigt, wenn er schreibt, die Freimaurerei sei eine Stätte „der Einigung und ein Mittel, wahre Freundschaft unter Menschen zu stiften, die einander sonst ständig fremd geblieben wären.“

Dabei dürfen wir nicht dem alten Fehler der Deutschen Maurerei anhängen, die Logen lediglich als Organisation des aufwärts orientierten Bürgertums zu definieren und sich damit abzuschotten gegen Menschen, die aus bescheideneren Verhältnissen kommen. Freimauerei verlangt keinen besonderen Bildungsabschluss und schon gar kein Gehaltsniveau. Gefordert wird lediglich die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis und der ernsthafte Wunsch an der Selbstvervollkommnung zu arbeiten.

Politische Zankereien sind in der Loge tabu, ebensolche über die Konfessionen. Aber wo, wenn nicht im geschützten Setting unserer Logen, können wir offen sprechen, unsere Standpunkte überprüfen und das tun, was laut Lessing eine der größten Freuden ist: laut Nachdenken mit einem Freund! Die Loge bietet einen geschützten Raum, der erst Entwicklung und das Aufeinander-Zubewegen ermöglicht. Der geschützte Raum der Logen ermöglicht es, die eigene Position zu hinterfragen, ohne dass dies als Schwäche ausgelegt wird. In unseren Diskursen geht es nicht darum zu gewinnen, sondern es geht darum, möglichst viele Sichtweisen kennenzulernen, sie abzuwägen und vielleicht den eigenen Standpunkt weiter zu entwickeln. So verändern wir uns, und schließlich die Welt! Dieses „laut mit einem Freund Denken“ funktioniert übrigens nur in der realen Loge, nicht in der virtuellen Welt der sozialen Medien. Um das Gegenüber mit seinen Argumenten tatsächlich zu würdigen, bedarf es des ganzen Spektrums menschlicher Ausdrucksformen auf beiden Seiten.

Die Loge ist der ideale Ort um gesellschaftlich Relevantes zu besprechen. Sind wir politisch in diesem Sinn? Trauen wir uns auch die Felder zu beackern, bei denen wir am Ende nur darin übereinstimmen, dass wir nicht übereinstimmen? Gerade in einer Zeit, in der die Zentrifugalkräfte an Stärke gewinnen, braucht es einen Raum, in dem der Mensch dem Menschen begegnet. Und tragen wir unseren Standpunkt wieder und wieder in die Gesellschaft zurück! Jeder als Einzelperson, aber vereint im unsichtbaren Band! Wenn wir weiter darauf achten, dass wir einander in brüderlicher Liebe begegnen, den geistigen Kampf nicht zum Streit, die Diskussion nicht zur Disharmonie werden lassen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Auch das ist eine Lehre aus der Reformtradition, die es oft nicht geschafft hat, den Aspekt der brüderlichen Liebe wirklich zu leben, sondern auch eine Geschichte der fortwährenden Abspaltungen war. Der kalte Intellekt alleine reicht nicht, um erfolgreich in der Kette am Tempel der Humanität zu bauen. Es braucht die Brücke zwischen Emotionalität und Intellekt, und es braucht den Mörtel der Bruder- und Menschenliebe. Wenn wir dann auch noch daran festhalten, der Freude, dem Spaß und der offenen Herzlichkeit einen Platz in der Arbeit und in unseren Herzen einzuräumen, dann mache ich mir keine Sorgen.

Der Freimaurerbund zur Aufgehenden Sonne forderte von seinen Mitgliedern für „ihre Ideen jederzeit furchtlos und unerschrocken einzutreten, Unrecht an Schwachen und Unterdrückten nicht zu dulden, für Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschenliebe jederzeit die blanken Waffen des Geistes tatkräftig zu gebrauchen. Denn den wahren Freimaurer ziert der Wille zur Leistung, seine wahre Feier ist die Tat“[8].
Wie ich finde, auch heute noch ein ehrenwerter Auftrag!

Meine Mutterloge Lessing eröffnet jede rituelle Arbeit mit den drei programmatischen Sätzen aus Ernst und Falk. Sie beschreiben unsere Aufgabe treffend:

„Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate Männer geben möchte, die über die Vorurteile der Völkerschaften hinweg wären und genau wüssten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhört.“

Wie ungeheuer aktuell sind jene Zeilen heute, wo der große Verführer, der Nationalismus wieder sein Haupt erhebt.

„Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate Männer geben möchte, die dem Vorurteile ihrer angeborenen Religion nicht unterlägen, nicht glaubten, dass alles notwendig gut und wahr sein müsste, was sie für gut und wahr erkennen.“

Auch hier liegt die Aktualität auf der Hand.

„Recht sehr zu wünschen, dass es in jedem Staate Männer geben möchte, welche bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche Geringfügigkeit nicht ekelt, in deren Gesellschaft der Hohe sich gern herablässt und der Geringe sich dreist erhebt.“

Unsere Aufgabe ist es, eine Brücke zu bauen, auf der sich Menschen auf Augenhöhe begegnen können! Da liegt in echter reformmaurerischer Tradition noch ein weiter Weg vor uns!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

[1] Emil Selter: „Das Humanitäre und das Christliche Prinzip in der Freimaurerei“. Von der Freiheit des Freien Maurers; Selbstverlag Loge Lessing, Frankfurt, S. 134

[2] Programm des Freimaurerbundes zur Aufgehenden Sonne 1911, S.5

[3] Rede zum 25jährigen Bestehen der Loge Lessing Nr. 769, Logenakten

[4] Entwurf Hausgesetz , Logenakten Lessing

[5] „Von der einen Freimaurerei“, Vortrag 1946, Logenakten

[6] Protokoll des Frankfurter Konvents

[7] GM Jens Oberheide, in der Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Loge „Zur Wahrheit“ in Nürnberg

[8] Handbuch des F.Z.A.S. 1.Abschnitt, S.7

 

Susanne Balazs: Le Droit Humain, eine freimaurerische Organisation für Männer und Frauen

Beitrag zu:
Stile des Freimaurerischen – Vielfalt und Einheit der Freimaurerei (2017). Jahrestagung der Akademie forum masonicum e.V. in Berlin, Samstag, den 11. November 2017

Le Droit Humain, eine freimaurerische Organisation für Männer und Frauen – was bedeutet das für die freimaurerische Idee und für den freimaurerischen Alltag in den Logen?

In diesem Jahr feiert die Freimaurerei ihren 300. Geburtstag. Die Zeitrechnung beginnt zu Gründung der Großloge von London und Westminster 1717 zu ticken obwohl die nachweisbaren Wurzeln bis in das 16. Jahrhundert zurück reichen. Doch auf diesen Zeitpunkt datiert sich der Auftakt für eine weltweite geistige Bewegung, welche Moral, Ethik und Kultur beeinflussen vermochte. Sie blieb über fast zweihundert Jahre eine rein männliche Domäne. Werte, wie Toleranz, Humanität und Menschenliebe sind wohl Grundsäulen der Freimaurerei, doch blieb etwa fünfzig der Menschheit davon ausgeschlossen. Frauen blieben in den Logen unerwünscht.

Wenn man die Frage stellt, ob dies auch heute noch der Fall sei, kommt die Antwort darauf an, wen man gefragt hat. Ist das z.B. die Vereinigte Großloge von England, wird die Antwort „ja“ heißen, Freimaurer seien ausschließlich Männer. Gemischte Logen, also Logen in denen Männer und Frauen Mitglieder sind, seien nicht regulär.

Erst langsam begann sich diese Situation zu ändern, erst mit der immer größer und stärker werdenden feministischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts, vor allem in Frankreich. Erst 1893 war es soweit, dass Le Droit Humain, ein Freimaurerorden für Männer und Frauen, in Paris gegründet werden konnte. Die neuen Ideen einer sogenannten „gemischten Freimaurerei“ haben weltweit ein Echo gefunden; es kam recht bald, noch vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges,  von Frankreich aus zur Ausbreitung des Ordens in andere Länder Europas und dann auf andere Kontinente. Über diese Organisation will ich heute berichten, wo ich seit 1979, also seit 38 Jahren Mitglied bin.

Die großen Persönlichkeiten die Le Droit Humain gegründet haben, waren (selbstverständlich eine Frau und ein Mann) Maria Deraismes und Georges Martin – es ist wichtig sich ein wenig mit ihren Persönlichkeiten auseinander zu setzen, denn nur in Kenntnis ihrer Lebensgeschichte versteht man die wesentlichen Züge der Organisation heute.

Maria Deraismes, eine für ihre Zeit außerordentlich gebildete Frau aus der aufstrebenden, erfolgreichen französischen Mittelschicht, war ein Leben lang Kämpferin für Rechte der Frauen und für die Rechte der Kinder, Kämpferin für eine gerechtere Gesellschaft und für die Trennung von Kirche und Staat. Durch ihre Reden und Publikationen war sie eine berühmte und gefeierte Person der Gesellschaft ihrer Zeit.

Sie ist ein Jahr nach der Gründung des Le Droit Humain verstorben. Somit konnte sie zum Auf-und Ausbau dieser neuen Obödienz durch ihren geistigen Nachlass sehr viel, doch in der Praxis nur wenig beitragen.

George Martin, oder mit seinem vollen Namen Marie Hippolyte Georges Martin, war Arzt in Paris. Man nannte ihn den Arzt der armen Leute. Er engagierte sich immer für die Entrechteten. Deshalb wechselte er nach zehn Jahren medizinischer Tätigkeit in die Politik, um dort mit seinen Aktivitäten für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen.

Als 1893, also vor fast 125 Jahren, Le Droit Humain gegründet wurde, geschah es mit dem Vorhaben – ich zitiere Georges Martin – „einen Masonischen Tempel zu gründen, welcher auf freiem Denken, Moral, Solidarität und soziale Gerechtigkeit ruht“.

Le Droit Humain wurde also von Anfang an von Ideen der Aufklärung getragen, und die drei Schlagwörter der Französischen Revolution erklingen noch heute am Ende jeder Arbeit in den Logen, nämlich Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

George Martin, in eine wohlhabende bürgerliche Familie geboren, verstarb während des Ersten Weltkrieges als armer Mann. Er investierte mit seiner Frau das gesamte Familienvermögen in den Bau des zentralen Gebäudes des Le Droit Humain in Paris. Es ist noch heute ein beeindruckendes Gebäude im ägyptischen Stil, wie es an der Jahrhundertwende in Europa hoch modisch war. Dies war ein beispielloser persönlicher Einsatz für die Etablierung des Ordens und seiner Ideen. In die Fassade ist ein beachtenswerter Satz eingemeißelt, auf Entfernung gut lesbar: „ In der Menschheit hat die Frau die gleichen Aufgaben wie der Mann, sie soll die gleichen Rechte in der Familie und in der Gesellschaft haben.“ Dies war und ist eine Grundidee, ein Programm und ein Unterscheidungsmerkmal zu den rein männlichen Logen.

An diesem Punkt möchte ich kurz stehen bleiben. Das heutige Programm legt seinen Schwerpunkt auf die Vielfalt und gleichzeitig auf die Einheit der Freimaurerei. Wenn ich die gravierende Differenz für eine kurze Weile außer Acht lasse, nämlich die gleichwertige Mitbeteiligung der Frauen und Männer an den Arbeiten in unseren Logen, bleibt die Frage offen, wie weit Differenzen bzw. Überschneidungen in der Form und in den Inhalten mit anderen freimaurerischen Organisationen zu finden sind? Diese Frage ergibt sofort die nächste: Wer sind die so genannten Anderen?

Die heutige freimaurerische Welt ist sehr weit aufgefächert. Fragen wir, woher rekrutieren sich die Mitglieder, ist die naheliegendste Antwort: Es gibt rein männliche, rein weibliche und gemischtgeschlechtliche Organisationen. Diese Einteilung macht die Antwort aber auch nicht einfacher, denn diese drei Gruppen zerfallen in weitere Untergruppen: einerseits je nach verwendeten Rituale, die sie bei ihren Arbeiten verwenden, aber auch je nach Systeme, die ihre Struktur bestimmen. Sind sie Hochgradsysteme, und wenn ja, welche, oder beharren sie z.B. im Schröderschen System, in dem sie ausschließlich drei Grade bearbeiten.

Ich möchte mich in diese Fragen erst gar nicht verirren. Ich möchte vielmehr jene Ordinaten angeben, welche für unsere Arbeit charakteristisch sind. Sprechen wir am einfachsten über Form und Inhalt der Arbeitsweise des Internationalen Freimaurerordens für Männer und Frauen Le Droit Humain. Wir werden im Weiteren sehen, dass diese zwei Komponenten sich gegenseitig beeinflussen.

Georges Martin als Präsident der 1880 gegründeten Symbolischen Schottischen Großloge und sein Nachfolger in diesem Amt, ließen grundsätzlich nach den Alten und Angenommenen Schottischen Ritus arbeiten, welcher die Struktur der Obödienz vorgab. Dieser Ritus legt fest, dass wir die beinhalteten 33 Grade in ihrer initiatorischen Abfolge bearbeiten. Dieser letzte Satz dürfte für Nicht-Freimaurer eher chinesisch klingen. Ich versuche mich verständlicher auszudrücken. In den Zünften der mittelalterlichen aber auch späteren europäischen Handwerkerordnung war das Erlernen des Handwerks auf drei aufeinanderfolgenden Stufen aufgebaut, auf die Stufen des Lehrlings, des Gesellen und schließlich des Meisters. Was bedeutet das in der Praxis? Dies war und ist die Strukturierung eines Lernprozesses. Diese Ausbildungsstruktur hat die Freimaurerei von den Dombauern übernommen. Man nennt die Logen, welche in diesen ersten drei Graden das freimaurerische Wissen Stufe für Stufe ihren Mitgliedern mitteilen, die so genannten blauen oder symbolischen Logen. Die Aufnahme in die aufeinander folgenden nächsthöheren Stufen nennt man Einweihung oder Initiation; das Wandern von Grad zu Grad nennt man den initiatorischen Weg. Wir also bearbeiten, wie zuvor gesagt, die 33 Grade in ihrer initiatorischen Abfolge.

Der Meister hat vieles erfahren, er oder sie ist ein kompletter Freimaurer, doch kein vollkommener, wie Georges Martin es ausgedrückt hat; zu diesem wird man erst durch Erlernen der Inhalte in den folgenden Graden, die in Gegensatz zu ihrem üblichen Namen keine Hochgrade, sondern vielmehr philosophische oder Vertiefungsgrade sind. Diese teilen sich in vier, nacheinander geschalteten Logen. Dieses System wurde im 18. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten erarbeitet und verbreitete sich von dort nach Europa. Unserem Freimaurerorden, der also wie gesagt auf den Alten Angenommenen Schottischen Ritus basiert, steht ein gewählter Oberste Rat und dessen Vorsitzende, der Großmeister, vor.

Die weiteren Gesichtspunkte ergeben sich aus den vier grundlegenden tragenden Säulen, die einerseits die spezifischen Eigenheiten des Le Droit Humain skizzieren, andererseits auch eine Übereinstimmung mit allgemeinen Freimaurerischen Inhalten zeigen, welche unser aller Anliegen sind.

Was sind diese vier tragenden Prinzipien? Kurz aufgezählt:
1. die Gleichheit von Männern und Frauen
2. die Internationalität
3. die Laizität
4. und die Durchgängigkeit der Stufen für jeden Einzelnen vom ersten bis zum 33. Grad

Das erste Prinzip, wie bereits gesagt, ist die Gleichheit von Mann und Frau – ist die Begegnung auf Augenhöhe, der Respekt im Umgang miteinander innerhalb der Loge, in der gesamten Organisation und draußen in der Welt. Vom Standpunkt der Organisation hat das seinen Niederschlag in der Aufgabenteilung. Männer und Frauen wechseln in den Ämtern, sie lösen einander ab, egal um welches Amt es geht, vom Großmeister des Ordens bis zum einfachsten Amt in der Loge. Man soll die Verantwortung mit gleichem Einsatz, mit gleichem Ernst tragen. Bestimmung von Inhalte des täglichen Logenlebens, Stimmung und Atmosphäre in der Loge, Art und Gestaltung der Diskussionen, dies alles ist, wenn beide Geschlechter gleichberechtigt daran arbeiten, runder und inhaltsvoller.

Schaut man die Verteilung aller freimaurerischen Organisationen an, so sind die gemischtgeschlechtlichen Gruppen sicher in Vergleich zu der rein männlichen Freimaurerei in der Minderzahl, doch dieses Verhältnis ändert sich allmählich. Als bestes Beispiel dafür kann z.B. die einst rein männliche Organisation des Grand Orient de France erwähnt werden. Sie nehmen seit einigen Jahren nicht nur Männer, sondern auch Frauen in ihre Reihen auf und dies freilich weltweit.

Aus Le Droit Humain sind verschiedene andere freimaurerische Gruppierungen hervorgegangen, die ebenfalls, wie wir, Männer und Frauen in ihren Logen einweihen. Unter anderem ist das die Großloge Humanitas, die ihre Zentrale hier in Deutschland hat. In Österreich gibt es mit uns, dem DH, zusammen fünf sogenannte liberale Freimaurerorganisationen, die miteinander freundschaftliche Kontakte pflegen, ihre Arbeiten gegenseitig besuchen und einmal im Jahr eine gemeinsame rituelle Arbeit veranstalten. Es sind die Großloge Humanitas Austria, die Liberale Großloge von Österreich, der Grossorient von Österreich und der Universale Freimaurerorden Hermetica.

Es bereitet keine Probleme, dass wir fünf in so manchen philosophishen Fragen verschiedener Meinung sind und dass wir verschiedene Rituale verwenden. In abwechselnder Reihenfolge passen wir uns dem jeweiligen Gastgeber an. Die Stimmung ist bei diesen gemeinsamen Arbeiten immer erhebend und das Gefühl der Zusammengehörigkeit beflügelt uns. Da hört man immer wieder den Satz: „es gibt nur eine Freimaurerei“.

Der zweite Schwerpunkt, die Internationalität, ist ein Ausdruck dafür, dass wir eine internationale Organisation sind, welche auf allen Erdteilen in über 60 Ländern repräsentiert ist. Jeder freie Mensch von gutem Ruf kann Mitglied werden, kann eingeweiht werden unabhängig von seiner/ihrer ethnischen Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, Glaube oder Nicht-Glaube. Wir haben international gesehen 30.000 Mitglieder.

Das Gesetzeswerk, welches unser Zusammenleben reguliert, die internationale Konstitution, repräsentiert diese Vielfalt und Einheit zugleich. Ihre Paragraphen, bis sie zum Gesetz werden, sollen allen Logen aller Kontinente zur Diskussion gestellt werden. Man stelle sich vor, die Diskussion rollt von Schweden bis Süd-Afrika, von den Vereinigten Staaten über Europa bis Australien. Erst wenn von den Logen aufwärts alle nationalen Ebenen durchgelaufen sind und ein Konsens auf lokaler Ebene hergestellt wurde, werden die Vorschläge dem Internationalen Konvent zur Abstimmung vorgelegt. Dort, nach weiterer eingehender Diskussion, wird über die Vorschläge abgestimmt. Ein – eben – internationaler Konsens muss vorherrschen, bis ein neues Gesetzt angenommen wird oder ein altes der Entwicklung der Gesellschaft angepasst werden kann. Diese Vorgehensweise ist ein Garant der Internationalität. Die Internationale Konstitution bekommt bei uns in Österreich jeder Lehrling bereits bei der Aufnahme in die Hand.

Der Begriff der Laizität bringt zum Ausdruck, dass Le Droit Humain keiner Religionsgemeinschaft unterstellt ist. Der Orden betont die Unabhängigkeit von allen religiösen Einrichtungen, Organisationen und Glaubensrichtungen. Dies bedeutet auch, dass der Glaube an eine höhere Macht oder höheren Wesen keineswegs eine Voraussetzung für die Aufnahme ist. Die Religiosität oder Nicht-Religiosität wird als die private Angelegenheit einer jeden freien Person betrachtet. Erst die geistige Freiheit eines Jeden und Jeder erlaubt die freimaurerischen Ziele zu befolgen.

Was bedeutet das für das Logenleben in der täglichen Praxis? Ob die Bibel ein Teil des Rituals ist oder eben nicht, entscheidet jede Loge für sich selbst. Als Ausdruck aller menschlichen Weisheit kann ein weisses, also nicht bedrucktes Buch verwendet werden. Jedenfalls muß die Internationale Konstitution bei den Arbeiten aufliegen.

An dieser Stelle soll unbedingt erwähnt werden, dass der Einfluss der Theosophie durch viele Jahrzehnte die Arbeiten des Droit Humain bestimmte. Diese Richtung wurde durch die Engländerin Anni Besant intensiv gefördert – im Gegensatz zu der frankophonen absolut laizistischen Einstellung. Die heutige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass in England, in den Skandinavischen Ländern und in Island die theosophische Richtung noch heute vorherrscht.

Was Ziele unseres Ordens sind, lernen wir vom ersten bis zum 33. Grad. Womit wir beim vierten Punkt in der Aufzählung der Grundelemente des Le Droit Humain angelangt sind. Es gibt in unserem Orden keine organisatorische Trennung zwischen den symbolischen Logen und den sogenannten Hochgradlogen, wie es z.B. in der Großloge von Österreich der Fall ist. Die Möglichkeit der initiatorischen Entwicklung vom ersten bis zum 33. Grad innerhalb der Organisation steht jedem Mitglied frei. Der Orden versteht sich mit der Durchgängigkeit der 33 Grade als eine Einheit. Das Fortschreiten am initiatorischen Weg von Grad zu Grad entspricht einer persönlichen geistigen Entwicklung. Es ist der Weg zum Erwerb und Verständnis freimaurerischer Inhalte. Es ist ein Lehrgang mit aufeinander folgenden Stufen der Schulung über die Conditio Humana.

Unsere Konstitution fasst die vier aufgezählten Prinzipien sehr schön mit folgenden Worten zusammen:

Zusammengesetzt aus Freimaurerinnen und Freimaurern geschwisterlich vereint, ohne Unterschied nach sozialer, ethnischer, philosophischer oder religiöser Herkunft, wendet der Orden …eine rituelle und symbolische Arbeitsmethode an, mit deren Hilfe die Mitglieder ihren Tempel zum Fortschritt und zur Vervollkommnung der Menschheit erbauen. Getreu dem Laizitätsprinzip und dem Respekt gegenüber der absoluten geistigen Freiheit jedes Einzelnen, arbeiten die Mitglieder des Ordens an der Verwirklichung der Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit. Darüber hinaus trachten sie vor allem danach, ein größtmögliches Maß an moralischer, intellektueller und geistiger Entwicklung für alle Menschen zu erzielen, welches eine Grundbedingung für das Glück ist, das jedes Individuum in einer geschwisterlich organisierten Menschheit erreichen kann.“

Das Zitat führt uns von der Form und Struktur zu den Inhalten des Ordens. Hier ein kleiner Schnitt, um auf den Begriff des Ordens einzugehen. Der französische Name des Freimaurerordens für Männer und Frauen Le Droit Humain heisst: „Ordre Maçonnique Mixte International Le Droit Humain“. Es ist ein großer inhaltlicher Unterschied zwischen dem Deutschen Wort Orden und dem Französischen: Ordre. Das deutsche Wort ist mit kirchlichen oder kirchlich geführten Organisationen assoziiert, wo sehr wohl ein einheitlicher Glaube an ein höheres Wesen Voraussetzung ist und eine sehr steile Hierarchie vorherrscht. Es wird ein absoluter Gehorsam verlangt. Die Mitglieder sind entweder ausschließlich Männer oder ausschließlich Frauen. Das französische Wort hingegen legt Wert auf Ordnung, wie auch eins unserer Leitsätze, der besagt: „Ordo ab Chao.“ Aber „ordre“ in zusammengesetzten Begriffen erhält auch andere Inhalte, wie z.B. „par ordre alphabetique“ heißt: in alphabetischer Reihenfolge, oder d`ordre politique/économique heißt: politischer/wirtschaftlicher Art. Womit ich sagen möchte, weder unsere Struktur noch unsere Inhalte haben mit religiösen Einrichtungen etwas zu tun.

Was sind also Ziele des Le Droit Humain und wie sollen diese Ziele erreicht werden? Wir blicken auf eine bald 125 jährige Geschichte zurück. Seit dieser Zeit stehen Humanität, Toleranz und Menschenliebe im Kern unserer Bemühungen. Dies vereint uns mit allen anderen freimaurerischen Organisationen. Auch das Streben nach Selbsterkenntnis, das Zugehen auf den Anderen und die Arbeit in der Gemeinschaft sowie der Weg zur Selbstveredelung sind zentrale Aufgaben in unseren Logen. Dies sind alles allgemein gültige freimaurerische Positionen. Keineswegs nur für uns spezifische Haltungen. Die regelmäßig sich wiederholende Treffen in einer stetig aber langsam wachsenden Gemeinschaft, der freimaurerische Alltag und die gemeinsam begangenen Feste lehren uns immer wieder neue Aspekte des menschlichen Zusammenlebens zu meistern und zu verstehen, was uns vereint und was uns trennen kann. Wir lernen die Wichtigkeit des Teilens, die Wichtigkeit und die Selbstverständlichkeit der Wohltätigkeit, das Streben nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit.

Es heisst immer, die Freimaurer seien eine geheime Gesellschaft. Wo ist das freimaurerische Geheimnis in all dem von mir Erzählten versteckt? Habe ich etwas davon verraten? Sicher nicht! Denn das freimaurerische Geheimnis kann man nur erleben. Dieses Erlebnis ist das Geheimnis selbst. Ich möchte ihn aus meinem Leben nicht missen.

Um eine kompakte und zusammenfassende Antwort auf die anfangs gestellte Frage zu geben: was bedeutet für die freimaurerische Idee und für den freimaurerischen Alltag in den Logen die Obödienz Le Droit Humain, möchte ich abschließend Folgendes sagen: Die längst fällige Gleichstellung von Männern und Frauen in den Logen bedeutet für die Idee neue Kraft und keineswegs Einbuße, größere Ausbreitung in der Welt ohne am hohen ethischen Wert etwas zu verlieren. Im Alltag der Logenarbeit bedeutet die Erweiterung der Mitgliedschaft auf beide Geschlechter eine Aufwertung des geistigen Outputs, in dem die für das männliche und das weibliche typischen Gedankenweisen sich gegenseitig ergänzen und ein neues Ganzes bilden.