Akademieseminar in Bonn, Samstag, den 27.4.2013
In der freimaurerischen Literatur findet man oft den Anspruch der Selbstvervollkommnung formuliert. Dieser Begriff der Selbstvervollkommnung kommt uns heute überzogen vor, selbst wenn er im Sinne eines ideelen Zieles verstanden wird, dem man sich als Freimaurer anzunähern versucht; moderner formuliert könnte man von einem freimaurerischen Programm der Selbst- bzw. Persönlichkeitsentwicklung sprechen. Der Freimaurer und Autor Philip Militz versteht die Freimaurerei vor diesem Hintergrund gar als „das erfolgreichste Persönlichkeitstraining der Weltgeschichte“ (Philip Militz, Freimaurer in 60 Minuten, Thiele-Verlag: München/Wien 2012).
Im Symbol des rauen Steines wird dieser Anspruch symbologisch weitergeführt: Der Freimaurer verwandelt sein Selbst im Prozess der freimaurerischen Arbeit und dieser Wandel wird verstanden als ein solcher vom rauen zum kubischen Stein. Die kubische Form steht sowohl für geometrische Vollkommenheit wie auch für die Voraussetzung, den Stein als Baustein in ein Bauwerk einfügen zu können. Dieses „Bauwerk“ wird freimaurerisch als „Tempel der Humanität“ bestimmt, womit die freimaurerische Arbeit am Selbst nicht mehr nur den Charakter einer Selbstfindung bzw. -bildung hat, sondern auf ein gesellschaftliches Ziel bezogen wird, nämlich das der Beförderung und Durchsetzung humanitärer Grundsätze.
Das Seminar der Akademie forum masonicum wird sich kritisch mit dem freimaurerischen Begriff der Selbstvervollkommnung auseinandersetzen. Die beiden Referenten, Professor Dr. Dieter Binder (Graz/Budapest) und der Freimaurer Dieter Ney, werden sich dem Thema in ihren Vorträgen auf sehr unterschiedliche Weise annähern, Dieter Binder als Historiker, der sich mit autobiographischen Zeugnissen von Freimaurern auseinandersetzt, Dieter Ney als Kulturwissenschaftler, der sich dem kulturellen Konzept der Selbstentwicklung widmen wird.
Vorträge mit anschließender Diskussion:
- Professor Dr. Dieter A. Binder (Universität Graz/Andrássy Universität Budapest):
Initiation und Persönlichkeit. – zwischen Anspruch und Vermutung
- Dieter Ney (Bonn):
Kulturgeschichte der Selbstbildung
- Dieter Ney (Bonn):
Selbstentwicklung im heterogenen sozialen Raum – Versuch über das freimaurerische Bildungskonzept
Akademieseminar in Bonn, Samstag, den 24.5.2014
Die Freimaurerei gilt im Allgemeinen als eine Geheim-gesellschaft, und dies, obwohl ihre Rituale in Geschichte und Gegenwart immer wieder ausgeplaudert wurden, heute schon fast jede Loge ihre eigenen Internetseiten hat, die Logen mehr und mehr ihre sozialen Aktivitäten nach außen dokumentieren und immer mehr Brüder und Schwestern ihre Mitgliedschaft in der Öffentlichkeit bekanntmachen.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat Dieter Binder in seinem Buch „Die diskrete Gesellschaft“ den belasteten Begriff „Geheimnis“ treffend im Sinne von Diskretion umgedeutet. Bei aller Öffnung gilt auch heute noch weithin als Konsens, dass sowohl über die Mitgliedschaft, die internen Angelegenheiten als auch über die rituellen Abläufe gegenüber der Öffentlichkeit geschwiegen wird.
Die beiden ersten Aspekte können im Sinne von Dieter Binder als Diskretion verstanden werden, wohingegen die Verschwiegenheit in Bezug auf die Rituale vorder-gründig an die so genannte Arkandisziplin der antiken Mysterienreligionen erinnert, einer förmlichen Ver-pflichtung des in ein religiöses Geheimnis Einge-weihten, die Abläufe eben dieser Einweihung geheim zu halten. Da die Freimaurerei aber in ihrem Selbstver-ständnis keine Religion ist, kann die Ver-schwiegenheit in Bezug auf die rituellen Abläufe nicht mit der besonderen religiösen metaphysischen Würde, ihrer Heiligkeit, begründet werden.
Das diesjährige Seminar widmet sich der Dialektik von Geheimnis und Transparenz sowohl in der Freimaurerei wie auch allgemein in der Kulturgeschichte. Besonderes Augenmerk gilt dabei einem Verständnis von Ge-heimnis, das sich nicht religiös begründet. Des Weiteren soll auch thematisiert werden, inwiefern das Geheimnis auch immer im Zusammenhang mit seinem vorder-gründigen Gegenteil steht, nämlich mit sozialen Praktiken der Transparenz, wenn zum Beispiel in einer Freimaurerloge die Diskretion über Interna nach außen sichergestellt ist, dann ermöglicht die Loge einen Vertrauensraum, in dem sich die Mitglieder auch zu Themen verständigen können, die in anderen Kommu-nikationssituationen aus verschiedendsten Gründen gemieden werden.
Vorträge mit anschließender Diskussion:
- Professor Dr. Dieter A. Binder (Universität Graz/Andrássy Universität Budapest):
Die Wohltat der Verschwiegenheit. Vom Sinn des Arkanums in der Mediengesellschaft
- Dieter Ney (Bonn):
Geheimnis und Transparenz. Die kulturgeschichtliche Dimension eines Widerstreits
- Dieter Ney (Bonn):
Geheimnis und Transparenz in der Freimaurerei
Akademieseminar in Bonn, Samstag, den 9.5.2015
„Wir wenden uns entschieden gegen alle politischen Auseinandersetzungen, die noch niemals zum Wohle der Loge beigetragen haben und es auch niemals tun werden“, so steht es in den so genannten Alten Pflichten von James Anderson aus dem Jahr 1723, die so etwas wie die Gründungskonstitution der traditionellen Freimaurerei darstellen. So sehr auf diesem Grundsatz institutionell innerhalb der „regulären“ Freimaurerei beharrt wird, so sehr war und ist er unter Freimaurern umstritten. Diese Ambivalenz im Umgang mit dem Politischen in der Freimaurerei begründet sich unter anderem darin, dass die Mitglieder einerseits unter spezifisch freimaurerischen moralischen Ansprüchen stehen, die stark von der Aufklärung geprägt sind, andererseits die Ablehnung von politischen Diskursen innerhalb der Logen ihre historische Begründung erhielt aus den ganz praktischen und desaströsen Erfahrungen, die die Zivilgesellschaft mit politischen wie auch religiösen Konflikten im England des 17. Jahrhunderts machte.
Den einen galt dieses Verbot politischer Diskussionen als ein pragmatisches Gebot, um Konflikte innerhalb der Loge, mit der Gesellschaft und der Regierung zu vermeiden, da sie den Bestand der Logen bedrohten und die innere Harmonie der Gruppe nachhaltig störten, den anderen galt das Gebot als absurde Forderung nach einem aseptischen Reinraum, der sowohl der menschlichen Erfahrung wie auch den moralischen Ansprüchen der Freimaurerei widersprach.
In der Geschichte der Freimaurerei spiegelt sich diese Ambivalenz. Sie zeigt sich dabei durchaus nicht nur an der Scheidelinie zwischen der „regulären“ und „irregulären“, zwischen der esoterischen und der laizistischen oder zwischen der englischen und romanischen Freimaurerei.
Das diesjährige Seminar der Akademie widmet sich dem Thema des Politischen in der Freimaurerei durch eine doppelte Perspektive: 1. in der Perspektive der longue durée, d.h. mit Hilfe einer geschichtswissenschaftlichen Methode, die weniger die exponierten Einzelereignisse betrachtet als vielmehr langfristigen Mentalitäts-änderungen nachspürt, und 2. durch Betrachtung der politischen Haltung individueller Freimaurer, die eingebettet waren in politische Bewegungen, die sich implizit oder explizit auf freimaurerische Werte bezogen
Vorträge mit anschließender Diskussion:
- Professor Dr. Dieter A. Binder (Universität Graz/Andrássy Universität Budapest):
Die Alten Pflichten: Falsch verstanden oder stets gebrochen?
- Podiumsgespräch mit Professor Dr. Dieter A. Binder (Graz) und Dieter Ney (Bonn):
Vom freimaurerischen Umgang mit der Tabuisierung des Politischen. Zwischen einem quasi-imperialen Anspruch der United Grandlodge of England und dem politischen Postulat der Freimaurerei in den romanischen Ländern
- Dieter Ney (Bonn):
Pazifisten, Krematisten, Republikaner, Laizisten. Politische Grenzgänger in der Freimaurerei am Beispiel einiger Freimaurerpersönlichkeiten