Reisen im Leben, Reisen in der Freimaurerei

Akademieseminar in Bonn, Samstag, den 9. Juni 2012

Das Weggehen von der Heimat, das Reisen führt in eine andere, vielfach neue Welt, gleichgültig, ob man zum Ausgangspunkt zurückkehrt oder an einem Ziel anlangt, um dort zu verweilen. Reisen weist immer eine räumliche, eine zeitliche, eine soziale und eine kulturelle Dimension auf. Homers Odysseus, Vergils Aeneis, die Lebensreise des Christentums oder des Islams, die Reise der Nibelungen in den Osten, die Pilger und Kreuzfahrer des Mittelalters, Marco Polos und der Entdecker Reisen, Swifts Gulliver, Humboldts Forschungsreisen, Goethes Italienreise, Heinrich Heines Weg durch den Harz, Jules Vernes Reisen um die Welt oder zum Mittelpunkt der Erde, Hermann Hesses Fahrten in den Süden oder nach Indien, Max Frischs Homo Faber legen davon ebenso Zeugnis ab wie die adeligen Kavalierstouren, die bürgerlichen Bildungsreisen, die Schweizerreisen als inneralpine Verknappung dieses Anspruchs, die Gesellenreisen der Handwerksburschen, die „Fahrten“ der Jugendbewegung oder der „Urlaub“ als begrenzter Austritt aus dem Alltag.

Das freimaurerische Ritual knüpft an diese Tradition an; in allen Gradwechselarbeiten (Aufnahme des Lehrlings, Beförderung des Lehrlings zum Gesellen, Erhebung in den Meistergrad) spielen symbolische Reisen eine zentrale Rolle. In ihnen geht es um die Überwindung des Alten, um reif für das Neue zu werden. Auf ihnen wird der Kandidat mit typisierten Gefahren des Lebens konfrontiert, Prüfungen ausgesetzt. Sie sind ein Zugang zur Selbstfindung, zum Gruppenerlebnis; sie öffnen den Weg zum Fremden und zum Neuen – letztlich wollen sie nicht nur die Perspektive des Reisenden auf das Leben, sondern sogar seine Identität selbst verändern.

Im diesjährigen Seminar der Akademie forum masonicum soll das Thema Reisen sowohl aus kulturwissenschaftlicher wie aus freimaurerischer Perspektive beleuchtet werden. Im Beitrag des Grazer Historikers Professor Dr. Dieter Binder werden die symbolischen Reisen der Freimaurerei dabei im Horizont des Reisebegriffs zur Zeit der Entstehung der Freimaurerei betrachtet; im Beitrag des Bonner Philosophen und Freimaurers Dieter Ney werden die Ergebnisse aktuellen kulturwissenschaftlichen Nachdenkens über den Begriff der Reise vermittelt, aber auch Deutungsmöglichkeiten für das Symbol der Reise in der Freimaurerei.

Vorträge mit anschließender Diskussion:

  • Professor Dr. Dieter A. Binder (Universität Graz/Andrássy Universität Budapest):
    … und nur im Reisen liegt der Sinn
  • Dieter Ney (Bonn):
    Ein kulturgeschichtlicher Blick auf das Reisen
  • Dieter Ney (Bonn):
    Unbeirrt vom Lärm der Welt geht der Maurer seinen Weg …