Ethik ohne Religion?

Akademietagung in Trier, Samstag, den 22. November 2008
in Zusammenarbeit mit der Freimaurerloge „Zum Verein der Menschenfreunde“

Vorträge mit anschließender Diskussion

Professor Dr. Volker Schmidt-Kohl (Fachhochschule Köln):
Vernunft – Ethik – Gutmenschen: Begründungen für moralischen Handeln

  • Zusammenfassung: Der Vortrag liegt sieben Begründungstheorien für Ethik/Moral vor: 1. autoritative Ethik aus dem Willen eines allmächtigen Gottes, 2. autonome Ethik aus der menschlichen Vernunft, 3. Historismus/Relativismus aus der Evolution der Gesellschaft, 4. Utilitarismus als geregelter, sanktionierter Eigennutz, 5. Gesinnungs- und Verantwortungsethik nach Max Weber, 6. Ethik der Kommunikation aus Kritischem Rationalismus, Hermeneutik und  Diskurstheorie, 7. Lebensethik, sie will Leben mit Zukunft und ist gesellschaftsübergreifend, kulturunabhängig und global. Sie sollten wir anstreben.

Dieter Ney (Akademie forum masonicum):
Religiöse Ethik – Bedrohung oder Bedingung des ethischen Humanismus

  • Zusammenfassung: „Religiöse Ethik – Bedrohung oder Bedingung des ethischen Humanismus?“ Lange galt die Religion als Garant für Sittlichkeit in der Gesellschaft – unter dem Vorzeichen von religiösen Fundamentalismen bekommt die Verbindung Religion – Ethik einen zunehmend als Bedrohung empfunden Charakter. Im Beitrag von Dieter Ney wurden aus religionswissenschaftlicher Perspektive Typen religiöser Moralbegründung erarbeitet und dahingehend analysiert, inwiefern diese ihren Ort finden können im ethischen Diskurs einer pluralistischen Gesellschaft. Integrationsprobleme zeigen sich dort, wo dem natürlichen moralischen Erkenntnisvermögen grundsätzlich jedes Recht bestritten wird; eine Öffnung vollzieht sich wiederum dort, wo an die Stelle statischer religiöser Vorschriften eine durch die Komplexität des Lebens notwendig gemachte Diskussion um die Auslegung eben diese Vorschriften ausgelöst wird und diese Auslegung in den Prozess des religiösen Lebens integriert wird. Zuletzt erscheint die Religion sogar in unserer Gesellschaft durch ihren historischen Einfluss auf die anerkannten Normen als Bedingung unseres Humanismus, gleichwohl um den Preis, dass die originäre Dimension des Religiösen dabei verloren geht.

Fiona Lorenz (Humanistischer Pressedienst):
Ethik ohne Gott – Wozu brauche ich einen Gott?

  • Zusammenfassung: Mehr als 100 Wochen stand Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ auf Platz eins der Sachbuch-Bestsellerliste und das Interesse, seine Leiden und seine Suche nach Gott auf dem Jakobsweg zu verfolgen, blieb damit über zwei Jahre auf hohem Niveau. Andererseits befand sich 22 Wochen lang „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins unter den ersten zehn der meistverkauften Bücher, mehrere Wochen davon direkt hinter Kerkeling auf Platz 2. Ob sich die Leser eine Orientierung in Fragen Ethik und Werte erhoffen, sei dahingestellt. Siebzig 9-86jährigen Frauen und Männern aus verschiedenen Ländern berichteten mir für mein Buchprojekt „Wozu brauche ich einen Gott!? – Gespräche mit Abtrünnigen und Ungläubigen“, wie sie zur Religion stehen, weshalb sie keinen Gott brauchen und was ihnen stattdessen Halt und Orientierung im Leben gibt.

MR Dr. Rudolf Teuwsen (Leiter des Referates „Verbindung zu den Kirchen und Glaubensgemeinschaften“ im Bundeskanzleramt ):Von der Bioethik zur Biopolitik – Normenfindung und Normenbegründung im pluralen Staat

  • Zusammenfassung: Der Erfolg als demokratischer Staat genügt nicht als alleinige Begründung der Gesetze. Religiös oder weltanschaulich begründete moralische Überzeugungen sind unverzichtbare Quellen, aus denen wir überhaupt erst die materiellen Maßstäbe zur Gestaltung unserer politischen und rechtlichen Ordnung gewinnen. Entsprechend ist das Mehrheitsprinzip notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Rechtsnormen.“ Dies gilt insbesondere für die Bioethik, mit der sich der nationale Ethikrat der Bundesregierung beschäftigt hat. Entsprechend erarbeiteten Fachwissenschaftler zusammen mit philosophischen und religiösen Ethikern Empfehlungen für den Gesetzgeber, jedoch keine einstimmigen Gesetzesvorlagen.